Diese 7 UX-Prinzipien machen digitale Produkte benutzerfreundlich

Du möchtest online eine Rechnung einreichen, ein neues Passwort vergeben oder eine Urlaubsbuchung stornieren. Eigentlich sollte das schnell gehen. Stattdessen klickst du dich durch undurchsichtige Menüs, bekommst kryptische Fehlermeldungen und weißt am Ende nicht, ob deine Eingabe gespeichert wurde. Frust statt Fortschritt.

Solche Erlebnisse zeigen, wie wichtig gute digitale Benutzerführung ist. Genau hier setzt die ISO-Norm 9241-110 an. Sie beschreibt sieben Prinzipien, die eine verständliche und effektive Mensch-Computer-Interaktion ermöglichen. Diese UX-Grundlagen helfen dir, digitale Produkte so zu gestalten, dass sie sich klar, zuverlässig und angenehm bedienen lassen.

In diesem Artikel stelle ich dir die sieben Prinzipien vor. Du erfährst, worauf es bei der Umsetzung ankommt und wie du typische Stolperfallen vermeidest.

Artikelübersicht

Was ist die ISO-Norm 9241-110?

Die ISO 9241 ist eine internationale Normenreihe, die beschreibt, wie digitale Systeme benutzerfreundlich gestaltet werden können. Sie stammt ursprünglich aus dem Bereich der Arbeitsplatzergonomie und wurde für moderne Mensch-Computer-Schnittstellen weiterentwickelt. Ihr Ziel ist es, die sogenannte Usability zu verbessern. Das bedeutet: Digitale Produkte sollen leicht verständlich, einfach zu bedienen und auch dann hilfreich sein, wenn etwas schiefläuft.

Usability beschreibt, wie gut ein Nutzer mit einem digitalen System zurechtkommt. Ein Produkt mit hoher Usability ist leicht zu verstehen, unterstützt typische Aufgaben und sorgt für eine reibungslose Bedienung. Genau hier setzt die ISO-Norm an. Sie bietet klare Gestaltungsprinzipien, die helfen, komplexe Anwendungen so zu entwickeln, dass sie den Nutzern echte Unterstützung bieten.

Besonders relevant ist Teil 110 der Norm. Dieser Abschnitt definiert sieben sogenannte Dialogprinzipien. Gemeint sind damit grundlegende Regeln für eine gute Interaktion zwischen Mensch und System. Die Prinzipien sind bewusst technologieunabhängig formuliert. Sie lassen sich auf jede Art von Benutzeroberfläche anwenden, von Webanwendungen über mobile Apps bis zu komplexer Business-Software.

Die ISO 9241-110 ist damit kein abstraktes Regelwerk, sondern ein praxisnaher Leitfaden. Sie unterstützt dich dabei, digitale Lösungen so zu gestalten, dass sie den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Das macht sie besonders wertvoll für alle, die digitale Produkte mitgestalten oder verantworten.

Prinzip 1: Aufgabenangemessenheit

Ein System ist aufgabenangemessen, wenn es Nutzer bei ihrer konkreten Aufgabe sinnvoll unterstützt. Es zeigt nur das, was in dem Moment wirklich gebraucht wird. Alles andere lenkt ab und macht die Bedienung unnötig kompliziert. So kommen Nutzer schneller ans Ziel, ohne Zeit mit Suchen oder unnötigen Klicks zu verlieren.

Das ist besonders wichtig, wenn Menschen im Arbeitsalltag mit digitalen Tools arbeiten. Wenn ein Formular zu viele Felder hat oder ein Prozess mehr Schritte verlangt als nötig, entsteht Frust. Gute Anwendungen richten sich nach dem, was der Nutzer erreichen will. Sie orientieren sich nicht an internen Abläufen oder technischen Vorgaben.

So setzt du das in der Praxis um:

  • Zeige nur Funktionen und Informationen, die für die jeweilige Aufgabe wichtig sind
  • Vermeide zusätzliche Schritte, wenn sie keinen klaren Nutzen bringen
  • Strukturiere Abläufe logisch und eindeutig
  • Gestalte jede Ansicht so, dass sie die Aufgabe unterstützt und nicht behindert

Prinzip 2: Selbstbeschreibungsfähigkeit

Ein gutes System erklärt sich von selbst. Nutzer sollen jederzeit verstehen, wo sie gerade sind, was sie tun können und was als Nächstes passiert. Wenn sie raten müssen, wie ein Button funktioniert oder was ein Symbol bedeutet, fehlt die nötige Orientierung.

Selbstbeschreibungsfähigkeit bedeutet, dass eine Benutzeroberfläche klare Hinweise gibt. Nutzer erkennen sofort, welche Funktionen zur Verfügung stehen, wie sie eine Aufgabe starten und ob ihre Eingabe erfolgreich war. So entsteht Sicherheit bei der Nutzung. Das ist besonders wichtig bei komplexen Abläufen oder wenn das System nur gelegentlich verwendet wird.

So machst du dein System selbsterklärend:

  • Nutze eindeutige Beschriftungen statt Abkürzungen oder Fachausdrücke
  • Verwende nur Symbole, die allgemein bekannt und leicht verständlich sind
  • Zeige nach jeder Aktion deutlich, ob sie erfolgreich war oder weitere Schritte nötig sind
  • Ergänze bei Bedarf kurze Hilfetexte direkt an der passenden Stelle

Prinzip 3: Steuerbarkeit

Ein System sollte den Nutzern die Kontrolle überlassen. Sie möchten selbst bestimmen, wann sie etwas starten, wie sie vorgehen und ob sie eine Aktion wirklich ausführen wollen. Wenn digitale Anwendungen etwas automatisch verändern, ohne dass Nutzer es erwarten oder beeinflussen können, entsteht schnell Frust.

Steuerbarkeit bedeutet, dass Nutzer jederzeit aktiv handeln können. Sie sollen nicht nur auf das System reagieren, sondern eigene Entscheidungen treffen. Das schafft Vertrauen und sorgt dafür, dass sich Menschen bei der Bedienung sicher fühlen.

Ein klassisches Beispiel ist ein Formular mit automatischem Versand, sobald man das letzte Feld ausgefüllt hat. Besser ist es, wenn Nutzer den Versand bewusst auslösen und vorher noch einmal prüfen können, ob alles stimmt. Auch bei Filterfunktionen in Tabellen oder Dashboards ist es hilfreich, wenn Änderungen erst übernommen werden, wenn der Nutzer sie bestätigt. So bleibt der Prozess nachvollziehbar und kontrollierbar.

So stellst du die Steuerbarkeit sicher:

  • Ermögliche das Abbrechen oder Rückgängigmachen von Eingaben und Aktionen
  • Vermeide automatische Weiterleitungen oder plötzliche Zustandswechsel ohne Hinweis
  • Gestalte Navigation so, dass Nutzer jederzeit wissen, wo sie sind und wie sie zurückkommen
  • Nutze deutlich sichtbare Schaltflächen, die Nutzer bewusst auswählen müssen
  • Gib klare Rückmeldungen, bevor irreversible Aktionen ausgelöst werden, zum Beispiel beim Löschen von Daten

Prinzip 4: Erwartungskonformität

Ein System ist erwartungskonform, wenn es sich so verhält, wie Nutzer es aus ähnlichen Situationen gewohnt sind. Menschen bringen bestimmte Erwartungen mit, wenn sie ein digitales Produkt nutzen. Diese Erwartungen entstehen aus früheren Erfahrungen mit ähnlichen Anwendungen oder aus allgemeinen Konventionen im digitalen Alltag.

Wenn diese Erwartungen erfüllt werden, fühlen sich Nutzer sicher. Sie wissen, wie ein Button wahrscheinlich funktioniert, was hinter einem Symbol steckt oder wie ein Formular aufgebaut ist. Unerwartetes Verhalten verwirrt und stört den Arbeitsfluss. Erwartungskonformität sorgt also für ein Gefühl von Verlässlichkeit und macht die Bedienung effizienter.

Ein Beispiel: Wenn das „X“ in einer Ecke steht, gehen Nutzer davon aus, dass sie damit ein Fenster schließen können. Wenn es stattdessen etwas löscht, führt das schnell zu Fehlern. Auch bei Bezeichnungen ist Klarheit wichtig. Wer „Speichern“ klickt, erwartet, dass die Eingaben erhalten bleiben. Wird stattdessen das Formular zurückgesetzt, ist das ein Bruch mit bekannten Mustern.

So erreichst du Erwartungskonformität:

  • Verwende gängige Begriffe, Layouts und Symbole, die Nutzer bereits aus anderen Anwendungen kennen
  • Halte dich an etablierte Designstandards deiner Zielgruppe oder Branche
  • Gestalte Interaktionen konsistent, damit Nutzer nicht ständig umlernen müssen
  • Teste regelmäßig mit echten Nutzern, ob deine Lösung ihren Erwartungen entspricht
  • Kommuniziere Änderungen an bekannten Abläufen klar und begründe sie nachvollziehbar

Prinzip 5: Fehlertoleranz

Fehler passieren. Umso wichtiger ist es, dass digitale Systeme damit gut umgehen können. Fehlertoleranz bedeutet, dass ein System so gestaltet ist, dass Fehler möglichst vermieden werden oder sich leicht korrigieren lassen. Nutzer sollen keine Angst haben müssen, etwas kaputt zu machen oder versehentlich falsche Daten zu verlieren.

Ein fehlertolerantes System schützt die Nutzer vor unnötigen Folgen, wenn sie sich vertippen, etwas vergessen oder eine Funktion falsch verstehen. Es gibt hilfreiche Hinweise, bevor ein kritischer Schritt passiert, und bietet einfache Möglichkeiten, Fehler zu korrigieren. So bleibt die Nutzererfahrung positiv, selbst wenn etwas schiefläuft.

Ein Beispiel ist das Zurücksetzen eines Passworts. Wenn das System zu strenge Vorgaben macht, diese aber erst nach dem Absenden des Formulars anzeigt, frustriert das. Besser ist es, Hinweise direkt während der Eingabe zu geben. Auch ein Warenkorb, der beim Verlassen der Seite nicht sofort gelöscht wird, zeigt Fehlertoleranz. Nutzer können ihre Entscheidung überdenken und später dort weitermachen, wo sie aufgehört haben.

So gestaltest du fehlertolerante Systeme:

  • Gib konkrete und verständliche Rückmeldungen bei fehlerhaften Eingaben
  • Erlaube das Rückgängigmachen wichtiger Schritte, zum Beispiel das Wiederherstellen gelöschter Inhalte
  • Arbeite mit Sicherheitsabfragen, bevor kritische Daten endgültig gelöscht oder verändert werden
  • Vermeide es, Nutzer komplett zu blockieren, wenn nur einzelne Felder fehlen oder falsch ausgefüllt sind
  • Hilf mit Autovervollständigungen oder Auswahlvorschlägen, um typische Fehlerquellen zu vermeiden

Prinzip 6: Individualisierbarkeit

Nicht alle Menschen nutzen digitale Systeme auf die gleiche Weise. Die Erwartungen, Arbeitsweisen und technischen Voraussetzungen können stark variieren. Ein System ist individualisierbar, wenn es sich an unterschiedliche Bedürfnisse anpassen lässt. So fühlen sich mehr Nutzer abgeholt und können effizienter arbeiten.

Individualisierbarkeit bedeutet nicht, dass jedes Element frei anpassbar sein muss. Viel wichtiger ist, dass das System flexible Nutzung zulässt, zum Beispiel durch einstellbare Ansichten, persönliche Filter oder die Möglichkeit, Funktionen auszublenden, die nicht gebraucht werden.

Ein Beispiel: In einem Dashboard möchte ein Vertriebsmitarbeiter andere Informationen sehen als jemand aus dem Controlling. Wenn beide ihre Startseite selbst anpassen können, ist das deutlich hilfreicher als eine starre Einheitslösung. Auch kleine Dinge wie Spracheinstellungen, Schriftgrößen oder Farbdarstellungen können entscheidend sein, besonders im Hinblick auf Barrierefreiheit.

So ermöglichst du individuelle Nutzung:

  • Biete verschiedene Ansichten oder Layouts für unterschiedliche Nutzungsszenarien an
  • Erlaube es Nutzern, Inhalte oder Funktionen nach Relevanz zu sortieren oder auszublenden
  • Stelle persönliche Einstellungen dauerhaft bereit, zum Beispiel Filter oder Sprache
  • Berücksichtige Menschen mit besonderen Anforderungen, etwa durch Kontraste oder alternative Navigation

Prinzip 7: Lernförderlichkeit

Ein lernförderliches System hilft neuen Nutzern dabei, sich schnell zurechtzufinden. Es unterstützt das Verständnis der Bedienlogik durch Wiederholungen, klare Strukturen und logische Abläufe. Ziel ist es, dass die Nutzer das System intuitiv verstehen und nach kurzer Zeit sicher anwenden können.

Besonders bei komplexen Produkten oder selten genutzten Funktionen ist es wichtig, dass das System den Lernprozess unterstützt. Wenn die Bedienung jedes Mal neu erlernt werden muss, entsteht Unsicherheit. Lernförderlichkeit stärkt das Vertrauen und reduziert den Schulungsaufwand.

Ein gutes Beispiel ist ein Tool, das neue Funktionen Schritt für Schritt erklärt, ohne gleich alles auf einmal zu zeigen. Auch kontextbezogene Hinweise, die nur beim ersten Mal erscheinen, helfen beim Einstieg. Wiederkehrende Muster im Aufbau oder bei Schaltflächen sorgen zusätzlich dafür, dass sich das System nach und nach erschließt.

So förderst du das Lernen im System:

  • Nutze klare Strukturen, die sich durch das ganze Produkt ziehen
  • Erkläre neue oder seltene Funktionen durch kurze Hinweise direkt im Nutzungskontext
  • Arbeite mit verständlichen Beispielen und visuellem Feedback
  • Verzichte auf unnötige Komplexität und wiederhole zentrale Bedienmuster
  • Baue Schritt-für-Schritt-Anleitungen oder interaktive Hilfen für neue Nutzer ein

Fazit

Die sieben Prinzipien der ISO-Norm 9241-110 zeigen, worauf es bei einer guten Mensch-Computer-Interaktion wirklich ankommt. Sie geben eine klare Orientierung, wie digitale Produkte benutzerfreundlich, verständlich und effektiv gestaltet werden können. Dabei geht es nicht nur um Design, sondern um das gesamte Nutzungserlebnis.

Besonders hilfreich ist, dass die Prinzipien dem Ablauf folgen, wie Menschen ein digitales System tatsächlich nutzen. Zuerst stellt sich die Frage, ob das Produkt bei der Aufgabe unterstützt. Dann kommt es darauf an, ob man versteht, wie es funktioniert. Danach spielt die Steuerbarkeit eine Rolle, gefolgt von der Frage, ob sich das Verhalten des Systems mit den eigenen Erwartungen deckt. Im weiteren Verlauf wird wichtig, wie gut das System mit Fehlern umgeht, ob es sich an persönliche Bedürfnisse anpassen lässt und wie schnell sich neue Nutzer darin zurechtfinden.

Was kannst du jetzt konkret verbessern? Prüfe deine digitalen Produkte Schritt für Schritt entlang dieser Prinzipien. Teile gern deine Erfahrungen in den Kommentaren.

Manuela Aksu Hi, ich bin Manuela, UI Designerin aus München. In meinem Blog findest du praktische Anleitungen, bewährte Methoden und wertvolle Tipps, die dir bei der Entwicklung erfolgreicher Interfaces helfen. Außerdem gewähre ich dir ehrliche Einblicke in mein Leben als Freelancerin und meine tägliche kreative Arbeit.

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